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Exhibition Friedrichshof 2015

Es ist eine Botschaft an uns alle.

Sie kennen wahrscheinlich alle den Mythos des Sisyphos. Stein auf den Berg, runter rollen, wieder rauf, wieder runter usw. So predigt Camus über die Befindlichkeit des Menschen.
Ich predige den Mythos des Tithonos. Die griechische Sage erzählt von einem schönen jungen Mann namens Tithonos. Er ist ein Opfer des Liebeshungers und der Eifersucht im griechischen Götterhimmel geworden. Eos, die rosenfingrige Göttin der Morgenröte, tröstete sich mit dem schönen Jüngling, nachdem ihr Zeus höchstpersönlich dessen Bruder, den noch schöneren Ganymed ausgespannt hatte. Als Entschädigung forderte Eos vom Göttervater, dass er ihr diesen Ersatz für ihren Lover, eben den Jüngling Tithonos unsterblich mache. Und Zeus schenkte ihm Unsterblichkeit. Nur eines hatte die rosenfingrige Morgenröte in der Liebeseile vergessen, für Tithonos auch ewige Jugend zu erbitten. Daher wurde dieser älter und älter, verfiel und schrumpfte, konnte aber nicht sterben. Ältere Menschen schrumpfen, auch wenn sie unsterblich sind. Die ewig junge Göttin Eos war schließlich ihres Geliebten, der immer kleiner und kleiner wurde, überdrüssig geworden und wollte ihn auch nicht mehr pflegen, ja nicht einmal mehr anschauen. Schließlich war er so klein geschrumpft wie eine Zikade. Sie sperrte also den zur Zikade Geschrumpften einfach in eine Zündholzschachtel, aus der man ihn nur mehr endlos keifend zirpen hörte. Was ist die Moral der Geschichte?

Wir sind zwar – noch – nicht unsterblich , werden körperlich aber doch immer älter.
Um aber einem geistigen Schrumpfungsprozess Einhalt gebietet, kurz: um nicht in der Enge einer geistigen Zündholzschachtel zu landen, brauchen wir etwas, das unsere Sinne wach und uns damit geistig lebendig hält, Ich sage, um nicht zu Zikaden zu werden, brauchen wir die Kunst. Gerade im Älter werden könnten wir unsere verschütteten – aber trotzdem lebendigen Seelenkräfte wieder entdecken: die Fähigkeit der Vorstellung und Anschauung, der Begeisterung und der Anbetung. Wir könnten das schütter gewordene Gefieder der Seele durch die Anschauung des Schönen wieder wachsen lassen, wie es Platon ausgedrückt hat! Und fliegen! Dazu ermuntert und befähigt uns die Kunst. Wozu sonst sollte Kunst gut sein!

Während meiner Beschäftigung mit dem Thema „Kunst und Alter“ bin ich auf ein bemerkenswertes Buch gestoßen, der Titel: „So viel Energie – Künstlerinnen in der dritten Lebensphase“. Die Autorin Hanna Gagel erzählt darin im Vorwort auch von ihrer Mutter, die ihr Alter mit Lebenslust zu erfüllen wusste. Nachdem die Mutter gestorben war, fand die Tochter im Küchenschrank einen Zettel, offenbar zur eigenen stetigen Erinnerung, darauf stand: „Geist ist die Jugend des Alters“.

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