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Exhibition Friedrichshof 2015

Aber weil streiten so schön ist, hatte man – wiederum in der Renaissance, der italienischen natürlich – neue Fronten eröffnet. Auf der einen Seite jene Künstler und Philosophen, die dafür stritten, dass das Wichtigste in der Bildkunst die Zeichnung sei: il disegno. Die gegnerische Partei hatte il colore auf ihre Banner geschrieben, die Farbe wäre das Wichtigste an der Malerei. Heute wissen wir, dass dieser Streit eher ein kunstphilosophisches Geplänkel war: dass die vollkommene Schönheit der großen Werke gerade im harmonischen Zusammenspiel beider besteht. Doch weil das beliebte Große-Buben-Spiel „Wer ist wichtiger, ich oder du?“ immer neue Kampfplätze findet, hat man bald die zwei wichtigsten Kunstgattungen konkurrierend gegeneinander antreten gesehen: Malerei und Bildhauerei – wer erfasst die Wirklichkeit des Daseins besser, das Bild oder die Skulptur. Man darf sagen, dass dieses Spannungsfeld die beiden Künste durchaus beflügelt hat, Konkurrenz macht eben erfinderisch. Jede hat für sich etwas dazugelernt.

Doch dann waren sie plötzlich nicht mehr allein: die Photographie trat um die vorige Jahrhundertwende auf den Plan und zwang die darstellende Kunst zu einer völligen Neubesinnung. Die Photographie war unschlagbar in der äußeren Darstellung der Wirklichkeit, es wurde ihr zwar der Kunststatus zuerst einmal für einige Zeit abgesprochen, aber bald hat sie, die Fotografie, bewiesen, dass sie auf ganz eigenständige Art und Weise ebenso Bilder von der inneren und von der metaphysischen Wirklichkeit, der Wirklichkeit über der Wirklichkeit, zu schaffen imstande ist. Fotografie rückt auf in die Liga der Künste. Keine Sammlung, die auf sich hält, kann es sich heute erlauben, keine Abteilung für Fotografie zu führen. Jetzt gibt es also wieder Anlass für einen Wettstreit – den paragone, wie die Italiener sagen – zwischen nunmehr drei inzwischen gleichrangigen Kontrahenten. Oder wollen wir doch lieber sagen: drei Geschwistern, die schlimmstenfalls ein wenig gegeneinander sticheln. Aber keins macht dem anderen den Rang mehr streitig.

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